Kraggenburg, Sonntag, 20. Juni 1999

Mein anstrengendster Tag

Um sechs Uhr stand ich auf. Es war sehr bewölkt und da mir immer kalt war zog ich ein langärmeliges Hemd an. Darüber meine Weste und die Windjacke. Nun noch Socken und die Knöchelschuhe angezogen, das Gepäck herunter gebracht. Da lag das versprochene Lunchpaket und der Kaffee stand auch da. Der Wirt hatte es gut mit mir gemeint. In der Tüte waren drei paar Brote mit Wurst und Käse drauf. Ich aß zwar nur eine halbe davon, denn zum Frühstück schmeckte mir so etwas herzhaftes noch nicht. Den Schlüssel warf ich, wie vereinbart in den Briefkasten. Es war 7.00 Uhr und es ging los.
Das Wetter sah furchterregend aus. Schwarze Wolken rasten am Himmel lang, es war stürmisch und ich hatte Kopfschmerzen. Bestimmt weil ich mich wegen dieser Fahrt total unter Druck gesetzt hatte. Vielleicht habe ich auch geahnt was mir bevorstand.
Gegen 7.45 Uhr hatte ich sie erreicht, die dreißig Kilometer lange Straße, die über das Ilje-Meer führt. Am Anfang hatte ich etwas Glück, der Wind kam von hinten und ich konnte mit zwanzig Stundenkilometer fahren. Das änderte sich nach einer halben Stunde, durch die Straßenführung. Zuerst fuhr ich direkt neben der Autostraße, nur getrennt durch einer Leitplanke und links von mir war das Meer. Alles in einer beachtlichen Höhe, jedenfalls war der Abhang sehr hoch. Dann aber trennten sich die Wege. Die Autostraße führte immer oben lang, mein Weg aber fast unten am Meer. Dadurch hatte ich den Wind, der sich schon zum Sturm entwickelt hatte, von vorne und ich konnte nur noch mit 7-10 Stundenkilometer fahren. So konnte ich mir ausrechnen, wie lange ich dafür brauchte, was soll's.
Was mich noch sehr beunruhigte waren die Schwärme an Vögel. Sie waren etwas größer als Spatzen, ich kannte sie nicht. Diese Massen erinnerten mich an den Film "Die Vögel". Wenn diese etwas größer gewesen wären, hätte ich sogar etwas Angst bekommen. Das Wetter von gestern hätte ich haben müssen, bei Sonnenschein wäre es die schönste Fahrt geworden, aber es sollte nicht sein. Das letzte Viertel kam und damit auch der Regen. So stark, dass ich mein Regenzeug anziehen musste. Ich hatte es immer griffbereit. Erst den Poncho übergestreift, dann die Schuhschoner die bis zum Knie gingen, damit die Hosen trocken blieben. Der Sturm verfing sich in dem Poncho, so konnte ich nur noch mit sieben Stundenkilometer fahren aber es war schon Land in Sicht. Ich schaute auf meinen Kilometerzähler und sah, es waren noch zehn Kilometer zu fahren. Auch die gingen einmal zu Ende.
Das war für heute der schlimmste Teil und für mich die schwierigste Fahrt. In einer Unterführung machte ich erst einmal eine Pause von zehn Minuten. Dazu nahm ich mir eine halbe Schnitte und aß sie mit Genuss. Im Freien schmeckte es einfach lecker.
Nun fuhr ich weiter, immer am Meer entlang bis Urk. Den ganzen Weg entlang standen Mühlen. Der Weg war angenehm, nur durch das Wetter sehr unbequem. Das einzige Gute war, dass ich den Wind nun wieder von hinten hatte. Das hatten mir schon die Radfahrer gesagt, die ich unterwegs getroffen hatte. Der Regen war so stark, dass meine Hose an den Oberschenkeln nass wurde. Selbst auf meine Brille musste ich verzichten, vor Nässe war kein Durchschauen möglich. Ich hatte das Gefühl, der Damm auf den Dünen nahm einfach kein Ende und die Mühlen auch nicht. Ich wusste: wenn diese aufhörten, muss ich rechts herum.
Einen kleinen Stopp musste ich noch hinnehmen. Eine Schafherde bevölkerte den Weg. Nur mit Mühe schaffte ich es durchzukommen. Endlich war es so weit und ich hatte meine Abzweigung erreicht. Ich las auf einem Schild "Urk" und fuhr in diese Richtung. Durch die letzten Anstrengungen hatte ich leider das Schild nicht richtig gelesen und fuhr in die falsche Richtung und dann auch noch mit dem Wind von vorne. Da ich kaum was sah, merkte ich erst nach einer halben Stunde, dass ich falsch war. Erst durch ein anderes Schild direkt vor meiner Nase sah ich das Malheur. Also wieder zurück.
An einer Bushaltestelle, ich fuhr Richtung Nagele, hielt ich an und machte eine kurze Rast. Die nächste Schnitte war dran und das Getränk. Es war auch kalt, so zog ich mir einen warmen Pulli an. Zwar war es erst 13.30 Uhr aber ich wollte versuchen, eine Unterkunft zu bekommen, denn ich war ganz schön erledigt. Frisch gestärkt und warm angezogen fuhr ich Richtung Ens. In Kraggenburg nahm ich mir ein Zimmer in einem Hotel.

[ Kilometerstand: 1.623 km ]

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