Saerbeck, Mittwoch, 26. Mai 1999

Ein Selbstmordversuch kann auch was Gutes haben

Beim Frühstück hatte ich nette Gesellschaft. Die Männergruppe von gestern saß schon da und hatten mich freundlich begrüßt mit einem: "Hallo, wie geht's, haben Sie gut geschlafen?". Nach dem Bezahlen verabschiedeten wir uns voneinander mit den besten Wünschen für die Weiterfahrt. Beim Bepacken des Rades schaute mir die Wirtin mit Wehmut (oder war es Sehnsucht) zu. Ihr gefiel meine große Radtour. Dann auf Wiedersehen und los ging's Richtung Emsdetten.
DSelbstmordversuchie Sonne lachte seit dem frühen Morgen und der Radweg Nr. 5 war gut ausgeschildert, übrigens in ganz Münsterland. Die Landschaft und Natur genoss ich aus vollem Herzen. Den Duft der Felder und Kühe. Schweine, die sich mit Begeisterung im Modder suhlten und laut vor Vergnügen grunzten. Hasen hoppelten über den Weg, seltene Vögel waren zu hören und zu sehen. Das ging bis Veltrup so. Ich schaute mir gerade ein paar Schafe an. Da kam ein Krankenwagen angefahren mit eingeschaltetem Martinshorn. Er fuhr an mir vorbei. Dann sah ich ein Stück weiter zwei Polizeiwagen stehen. Eine Frau, die mir entgegen kam, erläuterte: "Ein Bauer hat eine junge Frau entdeckt die versucht hatte sich das Leben zu nehmen, sei ihr aber nicht geglückt." Als ich dort ankam ging ich zu der Holzbrücke sah, die ich überqueren musste, war mir klar, allein schaffe ich das nicht. Die Stufen waren sehr steil und hoch. Für das Rad war auf der linken Seite eine Rille angebracht, doch sehr dicht am Geländer. So sprach ich einen Polizeibeamten an und bat ihn, mir behilflich zu sein, wenn er seine Arbeit beendet hat. Er versprachs. Bis der Rettungshubschrauber kam, versuchte man im Krankenwagen, der Frau zu helfen. Ich hoffe mit Erfolg. Mein Helfer, der Polizist, kam anschließend zu mir und wollte das Rad hinauf schieben. Da merkte er mein Problem. Er schaute sich um, rief noch zwei Kollegen heran und gemeinsam trugen sie Batavus hoch. Ich bedankte mich ganz herzlich bei den Herren, die außer Puste waren. Auf der anderen Seite hinunter, schaffte ich es allein.
Nun weiter nach Emsdetten. Dort machte ich in einer Imbiss-Stube Rast. Ein Schornsteinfeger stand auch im Raum und sagte zu ihm: "Na, da kann ja heute nichts mehr schief gehen, bei so viel Glück, Sie zu sehen." Er musste herzlich lachen. So war ich gestärkt, dem Glück sehr nahe und konnte weiterfahren nach Wettringen.
Auf meiner Karte war die R5 als schlecht befahrbar angezeigt, deshalb fuhr ich auf einer Landstrasse mit Radweg bis Ochtrup. Inzwischen war es 15 Uhr und ich sah mich nach Unterkunft um. Ich fuhr ganz langsam durch den Ort und schaute dabei in die Gärten in der Hoffnung, jemanden nach Unterkunft fragen zu können. Ich hatte Glück, man zeigte mir ein passables Gasthaus.
Am Abend ging ich noch kurz in die Stadt, besorgte mir einige Prospekte und holte ich etwas Geld vom Automaten. Ins Gasthaus zurückgekehrt, schaute ich mir noch die Weiterfahrt für morgen auf meiner Karte an. Dann wurde es Zeit, schlafen zu gehen.

[ Kilometerstand: 1.000 km ]

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