Wolfsburg, Mittwoch, 19 . Mai 1999

Der Wald und seine Tücken

Nach dem üblichen Bepacken meines Rades fuhr ich weiter in Richtung Fallersleben. Das ging recht prächtig, denn es gab auf der Bundesstraße endlich wieder einen Radfahrweg. Doch dann führte dieser durch den Wald. Viele Äste und Tannenzapfen behinderten mich ganz schön.
In Calberlah gefiel mir der Maibaum sehr gut. Es waren viele aus Holz geschnitzte Bilder zu sehen und auf dem obersten Bild eine alte Kirche. Von einer Bewohnerin erfuhr ich, dass die Kirche geschichtlich interessant sei und ich sie mir unbedingt ansehen sollte. In der Stadtverwaltung fragte ich nach Unterlagen, man fand nichts. Dafür bekam ich eine Ortsbroschüre, aus der hervorging, dass dieser Ort und auch die Kirche aus dem 14. Jahrhundert stammten. Ich schaute mir diese Sehenswürdigkeiten gern an.
Dann ging es weiter über den Elbseitenkanal nach Isenbüttel, der Weg war nicht schlecht und bis Winkel verlief alles korrekt. Bis nach Leiferden allerdings brauchte ich dann fast zwei Stunden- über Wege, die für Radfahrer mit Gepäck beschwerlich waren. Ich musste Batavus schieben, der Waldweg war zu weich. Nun wurde mir klar: weit komme ich heute nicht. "Stufen wir den heutigen Tag als Wandertag ein." So lief ich weiter und bekam langsam das Gefühl, den falschen Weg zu gehen. Kein Ort war in Sicht, der Wald wurde immer dichter und kein Mensch war zu sehen. Auf einmal hörte ich Geräusche, als würden Waldarbeiter in der Nähe tätig sein. Ich schlug ihre Richtung ein und fand sie. Ca. zehn Männer arbeiteten dort. Endlich Menschen, war mein Gedanke. Auf meine Frage nach Leiferden erfuhr ich, dass ich völlig falsch war und alles zurücklaufen müsste. Vor Schreck schossen mir die Tränen in die Augen, denn der Gedanke an diesen Weg machte mich schwach und traurig. Einer der Männer meinte: zurück müsse ich auf jeden Fall, aber dort vorne rechts an der Pferdekoppel entlang, dieser Weg sei befahrbar. Da auf diesem benannten Weg Baumaschinen standen, hoben zwei Arbeiter mein "Batavus" hoch und trugen ihn bis zur Koppel. Ich war selig. Ich nannte sie Engel, die man mir schickte, worüber sie lächeln mussten. Ich fuhr mit sehr viel Vorsicht und schaffte ein gutes Stück des Weges, bis wieder eine Entscheidung zu fällen war.
Es waren drei Abzweigungen vor mir, welche sollte ich nehmen? Auch hier wurde mir ein Engel gesandt, na ja, er sah mehr aus wie ein Schrat. Er hatte einen schönen Vollbart. Ein verblasster Hut bedeckte seine langen Haare. Das karierte Hemd und die abgewetzten Kniebundhosen vervollständigten das Bild. Nach kurzer Begrüßung und meiner Frage nach dem richtigen Weg erklärte er mir, da, wo er herkam, müsste ich hin. Nur, dieser Weg wäre nicht befahrbar. Also käme ich nicht mehr weit. Als er hörte, dass mein Ziel London ist, war er begeistert. Auch er hatte einmal den Wunsch gehegt, solch eine große Fahrt zu machen, nur wollte seine Frau das nie. Wir sprachen noch über Fahrradkarten. Er meinte, es gäbe bessere und zeigte mir seine. Endlich zum Abschied zeigte er mir noch den Weg zur Jugendherberge bei Burgdorf. Er würde mich abends in der Herberge besuchen kommen. Ich war einverstanden, doch hatte ich Zweifel, es bis dahin zu schaffen. Drei Stunden würde es dauern und wegen des Irrwegs hatte ich noch nichts gegessen.
Ich kam jedoch gut voran und ab Dalldorf, es war 15 Uhr, wollte ich mich nach einem Quartier umsehen. In Meinersen in der Pension "Erika" bekam ich ein schönes Zimmer. Am Abend setzte ich mich in den Vorgarten der Pension. Ich fühlte mich rundherum wohl. Zwei Anrufe erreichten mich hier. Mein jüngster Sohn wollte wissen, wo ich war und wie es mir ging. Wir hatten uns gerade verabschiedet, da rief mich Barbara Krüger an und fragte fast dasselbe. Ich fand es nett, dass man sich für meine große Tour so interessierte. Dann schaute ich mir noch meinen morgigen Plan an. Ich wollte so gerne am Steinhuder Meer ein paar Tage verbringen. Ich rief die Jugendherberge und verschiedene Unterkünfte an, es war nichts zu bekommen, leider, es war Pfingsten. Also werde ich weiter nach Plan fahren. Jetzt aber erst mal schlafen gehen.

[ Kilometerstand: 661 km ]

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